«Papis Telefon können wir jetzt in den Abfall tun, das braucht er ja nicht mehr», sagte die dreijährige Lena* zu ihrer Mutter zwei Wochen danach. Und auch wenn Julianas* Tochter irgendwie recht hatte, weh tat es umso mehr. Julianas Partner und Lenas Vater ist überraschend gestorben. Mitten im Schlaf stand sein Herz still. Wie in einer Blase habe sich Juliana damals gefühlt, «alles war verschwommen, abgedämpft, verlangsamt. Ich weiss nicht mehr, wie ich das damals gemacht habe. In so einer Ausnahmesituation kommt man ganz schnell ins Funktionieren», erinnert sich Juliana zurück an die Zeit im Sommer 2019.
Von einem Tag auf den anderen bildeten die junge Mutter und Berufsfrau und ihre Tochter ein Zweiergespann, unfreiwillig verlassen zwar, aber nicht allein gelassen. «Von meiner Familie, der Familie meines Partners und engen Freunden wurden wir über diese schwierige Zeit hinweg getragen, unterstützt, emotional aufgefangen – so gut es eben ging.» Trauern, Abschiednehmen, Loslassen jedoch möchte Juliana auch heute noch vor allem für sich alleine. «Dass aber Menschen da sind, die zuhören, die Lena und mich direkt und ohne dass wir darum bitten müssen in alltäglichen Dingen unterstützen, das ist schön und tut gut», sagt die 38-Jährige. Schwierig hingegen sei es, wenn jemand aus Angst oder falscher Rücksicht ein Tabu daraus mache und sie nicht auf den Tod ihres Partners anspreche. «Ich weiss, der plötzliche Tod in jungem Alter macht sprachlos. Aber schweigen und ignorieren macht es für mich schwieriger. Es gibt mir das Gefühl, dass mein Partner nie da war. Aber er war da. Und er ist nicht einfach verschwunden, weil er jetzt tot ist.»
Der Schock und die tiefe Trauer treffen auf das tägliche Da-sein-und-funktionieren-müssen. Denn während für Kinder wie Lena der Tod noch ein abstrakter Umstand ist, bedeutet er für hinterbliebene Elternteile eine doppelte Herausforderung: Wie lässt sich die eigene, persönliche Trauerverarbeitung mit der neuen Rolle als Alleinerziehende samt Job und weiteren Verpflichtungen vereinbaren? «Noch in der ersten Nacht nach der schockartigen Nachricht ratterte es. Mitten in meinem Gefühlschaos gings dabei auch um ganz pragmatische Dinge: Wie bezahle ich die Wohnung, die Kita und alle anderen Fixkosten, schaffe ich alles alleine?»
Juliana hat es geschafft, dank vielen kleinen und grösseren Faktoren hat sie den Boden unter den Füssen nie verloren – auch wenn es sich zwischendurch sicher so angefühlt hat. Schreiben und lange Spaziergänge bei Wind und Wetter helfen ihr den Kopf freizubekommen. Unbeschwerte Stunden mit der Tochter und Gespräche mit Freunden sind Seelenbalsam.
Nach einem Todesfall geht das Leben für die Hinterbliebenen schier nahtlos weiter: Das persönliche und berufliche Umfeld informieren, Organisatorisches und Finanzielles regeln, Mietvertrag und andere Papiere anpassen und so weiter. Hier kommt auch das berufliche Umfeld zum Tragen: «Meine Arbeitgeberin brachte und bringt mir sehr viel Verständnis entgegen, wenn es mir mal nicht so gut geht und ich Zeit brauche. Das hilft sehr», so Juliana. Auch das Unternehmen ihres Partners reagierte nach dessen Todesfall menschlich und hilfsbereit: Nebst dem sogenannten Lohnnachgenuss* bekam sie viel persönliche Anteilnahme und auch nützliche Tipps vom Vorgesetzten ihres Partners. «Fakt ist: Durch meine berufliche Sicherheit, Unterstützungsgelder* wie die Halbwaisen-Rente und natürlich durch den Halt von Familie und Freunden war und ist es mir überhaupt möglich, der Trauer genug Platz zu geben. Ich weiss nicht wie Menschen mit anderen, weniger guten Voraussetzungen dies bewältigen», sagt Juliana nachdenklich
Fragen und Antworten rund ums Thema Todesfall und Finanzen
Unsere Finanzplanerin Monika Gerner und unser Finanzcoach Patrick Ingold kennen wertvolle Tipps zu Vollmachten, Testamenten und Vorsorge-Analysen.
Herr Ingold, Juliana war nicht verheiratet als ihr Partner verstorben ist. Was bedeutet dies in ihrem Fall, welche Rechte hat sie in Bezug auf Bankverbindungen?
Patrick Ingold: Vollmachten sind über den Todesfall hinweg gültig, der Schutz allfälliger Erben ist immer im Vordergrund. Die Guthaben auf den eigenen Konti bleiben verfügbar, die Bezüge jedoch sind eingeschränkt und werden meist nur für die Lebenshaltung oder fürs Bezahlen von Rechnungen toleriert. Wir als Bank funktionieren dabei immer mit dem gesunden Menschenverstand und unterstützen mit speditiver, individueller und vor allem unkomplizierter Abwicklung.
Welche praktischen Tipps können Sie Paaren (im Konkubinat) mitgeben, um im schlimmsten Fall böse Überraschungen zu vermeiden?
Ich lege allen Familien ans Herz, bei der Bank eine Vorsorge-Analyse zu machen. Wir zeigen den Kundinnen und Kunden auf, mit welchem Einkommen sie bei einem Todesfall aus den Sozialversicherungen rechnen können und ob dieses noch für das Bestreiten ihrer Kosten ausreichen wird. Zudem empfehle ich einen handschriftlichen, privat aufbewahrten Vorsorge-Auftrag, welcher nach einem Todesfall die Auseinandersetzung mit der KESB sowie unklare Situationen verhindern kann. Und nicht vergessen: Patientenverfügungen, Erbverträge und Begünstigungen des Partners bei Vorsorge-Einrichtungen können jederzeit gemacht werden und haben einen grossen Mehrwert.
Frau Gerber, wie schaut die Situation aus, wenn ein gemeinsames Haus oder viel Geld vorhanden ist?
Hier stellen sich viele Fragen: Wie sind die Eigentumsverhältnisse? Wer erbt die Liegenschaft? Sind die Hypothekarzinsen mit dem Einkommen des überlebenden Partners noch finanzierbar? Durch den Wegfall des Lohns eines Ehepartners oder einer Konkubinats-Partnerin reduziert sich das Haushaltseinkommen massiv. Auch bei verheirateten Paaren ergeben sich in der Regel Einkommens-Lücken. Hier kommt wieder eine saubere Vorsorge-Analyse ins Spiel.
Wie schaut die Situation in einem Fall wie jenem von Juliana aus?
Da Juliana und ihr Partner nicht verheiratet waren, erhält sie aus der 1. Säule (AHV) lediglich eine Waisenrente. Konkubinats-Partner erhalten aus der 1. Säule aufgrund des Gesetzes keine Witwenrente. Eine Begünstigung des Konkubinats-Partners ist bei vielen Pensionskassen möglich, jedoch gesetzlich nicht zwingend vorgegeben. Im Fall von Juliana erbt die Tochter das gesamte Vermögen des verstorbenen Vaters, da die beiden Elternteile nicht verheiratet waren. Die KESB vertritt die Interessen des minderjährigen Kindes, sofern keine anderweitigen, rechtlich gültigen Regelungen wie ein Vorsorgeauftrag, Testament oder Erbvertrag bestehen.
Wichtig zu wissen
Mittels Testament oder Erbvertrag ist es möglich, Kinder auf den Pflichtteil (75 %) zu setzen und somit 25 % des Nachlasses an die Partnerin, den Partner zu vererben. Dies muss jedoch zu Lebzeiten schriftlich festgehalten werden. Das Testament ist von Anfang bis zum Ende mit Einschluss des Datums von Hand niederzuschreiben sowie mit der Unterschrift zu versehen, der Erbvertrag muss notariell verurkundet werden. Zu beachten ist, dass bei Ehepartnern und Nachkommen keine Erbschaftssteuer anfällt. Bei Konkubinats-Partnern muss die Erbschaftssteuer bedacht werden. |
Welche zusätzlichen Vorkehrungen empfehlen Sie betreffend Finanzkompetenz, auch älteren Menschen?
Es kann immer etwas passieren, wie auch das Beispiel von Juliana zeigt. Ich empfehle deshalb Menschen aus allen Altersgruppen folgende Massnahmen:
- Vollmachten an Vertrauenspersonen erteilen, damit die Rechnungen auch z.B. bei einem Spitalaufenthalt oder Todesfall beglichen werden können.
- Regelung des Nachlasses mittels Testament oder Erbvertrag. Bei Verheirateten kann vieles auch mittels Ehe- oder Ehe-/Erbvertrag geregelt werden.
- Einkommenssituation im Invaliditäts- oder Todesfall bei einer persönlichen Beratung bei der BEKB abklären (finanzielle Absicherung der Familie).
- Erstellung eines Vorsorgeauftrags. Mit dem Vorsorgeauftrag wird handlungsfähigen Personen die Möglichkeit gegeben, für den Fall der Urteilsunfähigkeit Dispositionen hinsichtlich der eigenen Rechtsvertretung, Vermögensverwaltung und Personensorge zu treffen. Als Vorsorgebeauftragter kann eine natürliche oder eine juristische Person eingesetzt werden. Der Vorsorgeauftrag kann eigenhändig geschrieben oder von einem Notar erstellt und verurkundet werden.
- Erstellung einer Patientenverfügung. Mit der Patientenverfügung kann eine urteilsfähige Person für den Fall der eigenen Urteilsunfähigkeit Anordnungen hinsichtlich künftiger medizinischer Massnahmen treffen (Art. 370 Abs. 1 ZGB). Sie kann aber auch eine natürliche Person bezeichnen, die im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt die medizinischen Massnahmen besprechen und im Namen des Verfügungserstellers entscheiden soll. Sie kann dieser Person Weisungen erteilen (Art. 370 Abs. 2 ZGB).
Unterstützung und Anlaufstellen
Hinterlassenenrenten der AHV
AHV-Renten sollen beim Tod eines Ehepartners verhindern, dass die Hinterlassenen (Witwe/r, Kinder) in finanzielle Not geraten. Konkubinatspartner jedoch haben kein Anrecht auf eine Witwenrente aus der 1. Säule.
Kantonale Ergänzungsleistungen
Die Ergänzungsleistungen (EL) zur AHV und IV helfen dort, wo die Renten und das Einkommen nicht die minimalen Lebenskosten decken. Sie sind ein rechtlicher Anspruch und keine Fürsorge oder Sozialhilfe. Die Ergänzungsleistungen werden durch die Kantone getragen.
Lohnnachgenuss
Das Obligationenrecht (OR) regelt den Tod des Arbeitnehmenden in Art. 338. Mit dem Tod der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters erlischt das Arbeitsverhältnis, der Arbeitgeber jedoch hat den Lohn für einen weiteren Monat und nach fünfjähriger Dienstdauer für zwei weitere Monate zu entrichten (unter gewissen Voraussetzungen.)
Pro Juventute
Die Stiftung Pro Juventute entrichtet zusätzliche Leistungen an Witwen, Witwer und Waisen. Achtung: Der Antrag kann erst eingereicht werden, wenn der Anspruch auf Hinterlassenenrenten und kantonale Ergänzungsleistungen abgeklärt wurde.
Stiftungsverzeichnis
Das eidgenössische Stiftungsverzeichnis gibt weiterführende Informationen, wo Gelder beantragt werden können, zB. für Ausbildungen.
Verein Aurora
Eine Kontaktstelle für Verwitwete mit minderjährigen Kindern ist der Verein Aurora.
KESB
Die KESB (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde) setzt sich beim Todesfall eines Elternteils unter anderem für die Rechte der minderjährigen Kinder ein.