Markus, welche Erfahrung machst du in Bezug auf Scheidung und Hypotheken am häufigsten?
Oftmals wird die gemeinsame Liegenschaft nach einer Scheidung verkauft. Die Gründe dafür können die Grösse der Immobilie, emotionale Komponenten oder finanzielle Möglichkeiten sein. Letztere entscheiden schlussendlich darüber, ob sich eine oder beide involvierten Parteien die Zinsen für die Hypothek weiterhin leisten können. Die kalkulatorischen Kosten einer Hypothek sollten in der Schweiz maximal ein Drittel des Brutto-Haushaltseinkommens ausmachen. Diese sogenannten Tragbarkeitsanforderungen können viele Kunden nach einer Scheidung überfordern.
Wie findest du heraus, welche Hypothek weiterhin tragbar ist?
Die Tragbarkeit berechne ich, indem ich die Zinsen der Hypothek sowie die Neben- und Amortisationskosten der Immobilie ins Verhältnis zum Einkommen setze. Auch andere Faktoren spielen dabei eine Rolle. Zum Beispiel, ob ein Einkommen aufgrund der Scheidung wegfällt, oder ob eine Solidarhaftung des Ehepaars besteht.
Du kannst also jemandem helfen, eine Immobilie im Scheidungsfall zu behalten?
Nicht immer. Als finanzieller Berater der BEKB liegt mein Interesse immer darin, eine Lösung zu finden, die finanziell langfristig für die Kundschaft tragbar ist. Mit einem passenden Umgang versuchen wir auch auf die emotionalen Herausforderungen der Scheidungssituation Rücksicht zu nehmen.
Falls genügend Mittel vorhanden sind, wem gehört bei der Scheidung die Immobilie?
Das ist von Fall zu Fall verschieden und hängt damit zusammen, welche Eigentumsform gewählt wurde und wie der Güterstand geregelt wurde. Haben die Ehegatten keinen anderen Güterstand vereinbart, unterstehen sie von Gesetzes wegen dem ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Nach diesem Prinzip werden im Falle der Scheidung alle Vermögenswerte, die während der Dauer der Ehe erwirtschaftet wurden, hälftig aufgeteilt. Ausgenommen von dieser Teilung sind sämtliche Güter, welche Eigengut darstellen (z.B. Vermögenswerte, welche durch Erbgang zufallen, Gegenstände, die einem Ehegatten ausschliesslich zum persönlichen Gebrauch dienen). Damit wir als Bank feststellen können, wie die Hypothek nach der Scheidung weitergeführt werden kann bzw. muss, benötigen wir eine vom Gericht genehmigte Scheidungskonvention. Diese bildet Bestandteil des Scheidungsurteils und regelt sämtliche Nebenfolgen der Scheidung, worunter unter anderem die finanziellen Folgen der Scheidung fallen.
Welche Massnahmen empfiehlst du bei einer Scheidung?
Zum Zeitpunkt eines Immobilienkaufs müssen alle finanziellen Aspekte geregelt sein. Es ist zu spät Fragen bezüglich Eigenmittel, Anteile und Rechte erst zu klären, wenn die Scheidung vor der Tür steht. Ein Ehepaar sollte die Sachlage also vor dem Kauf einer Immobilie detailliert und schriftlich regeln.

Markus Gschwendtner, BEKB Finanzcoach und Interviewpartner für dieses Gespräch.
5 Fachbegriffe kurz erklärt
Güterstand
Der Güterstand regelt, wem während der Ehe was gehört und wie Vermögen und Schulden bei einer Scheidung aufgeteilt werden. In der Schweiz gibt es drei verschiedene Güterstände: Errungenschaftsbeteiligung, Gütergemeinschaft und Gütertrennung. (Quelle: ch.ch,Güterstand)
Alleineigentum
Sie bringen das Eigenkapital zum Kauf der Immobilie allein auf, sind aber auch selbst verantwortlich für Unterhalt, Schäden und die Bezahlung der Zinsen für die Hypothek. (Quelle: ch.ch, Wohneigentumsformen)
Gesamteigentum
Im Gesamteigentum gehört das Wohneigentum allen Parteien, unabhängig davon, wer wieviel Geld investiert. Entscheidungen, zum Beispiel über den Verkauf der Immobilie, müssen gemeinsam gefällt werden. Die Parteien können bei dieser Eigentumsform nicht frei über ihre Anteile verfügen. (Quelle: ch.ch, Wohneigentumsformen)
Miteigentum
Beim Miteigentum wird im Grundbuch festgehalten, wer wieviel Miteigentumsanteil besitzt. Diese richten sich grundsätzlich, nach den Beiträgen der Beteiligten. Möchte eine Miteigentümerin oder ein Miteigentümer seinen Anteil verkaufen, haben die andern Miteigentümer ein gesetzliches Vorkaufsrecht. (Quelle: ch.ch, Wohneigentumsformen)
Solidarhaftung
Solidarhaftung bedeutet, dass beide Schuldner je für die gesamte Schuld einstehen müssen. Es liegt im Ermessen des Gläubigers/der Gläubigerin zu entscheiden, von wem er/sie die Schuld einfordern möchte. Die gesamte Schuld darf aber nur einmal vergütet werden, weswegen ein Bereicherungsverbot des Gläubigers/der Gläubigerin vorliegt. (Quelle: Beobachter, Solidarhaftung)
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Publikationsdatum: 29.12.2020